Medienspiegel Studienproteste
Die Proteste der Student/innen sind seit zwei Wochen auf den Titelseiten aller Zeitungen. Nach anfänglichem Ignorieren und Belächeln haben Anzahl und Ernsthaftigkeit der Kommentare zugenommen.
Ein paar Kommentare in der aktuellen „Die Furche“ zeigen, dass auch konservative JournalistInnen differenziert über die Proteste und die Missstände an den Universitäten denken können. Wenn ich an einzelne Kommentare in der Presse denke, wird mir eher schlecht: Diese (Chef)Redakteure sind ähnlich ignorant wie die Regierenden. Wobei es in der Presse durchaus wohlwollende Journalist/innen gibt, wie der Live-Chat (Audimax-Besetzer: „Bei uns kann sich jeder einbringen“) zeigt.
Otto Friedrich (Die Furche) zieht eine Parallele zur Antiatombewegung gegen Zwentendorf und zur Besetzung der Hainburger Au. Und freut sich über den Kommunikationstechnologie-Einsatz der Studierenden.
Denn seit Jahr und Tag war klar, dass Österreichs Hohe Schulen weder finanziell noch strukturell noch inhaltlich fit sind. Typisch österreichisch: Die Politik brachte dies ebensowenig wie die Betroffenen so stark ins Spiel, dass es auch zum Thema für den öffentlichen Diskurs taugte. Dabei steht mit dem tertiären Bildungsbereich viel von der Zukunft Österreichs auf dem Spiel.
Die Kraft des Paradoxen, Otto Friedrich, www.furche.at, 5.11.2009
Auch Raimund Lang (Die Furche) findet argumentativ Verständnis für die Studentenproteste und schreibt über berechtigte Forderungen.
Ja darf man denn so etwas? Da besetzt eine Gruppe junger Menschen Wiens größten Hörsaal. Sie organisieren Vorträge, Filmabende und stellen einen Küchenbetrieb auf die Beine. Sie besitzen die Dreistigkeit, eine Verbesserung der Studienbedingungen zu fordern. Und statt mit Pflastersteinen Scheiben einzuwerfen, diskutieren sie basisdemokratisch, was das Zeug hält.
Die Studentenproteste des Oktober 2009 sind ein Novum. Sie sind nicht Resultat akkordierter Planung, sondern Ausdruck eines spontanen Handlungsbedürfnisses engagierter Individuen. Sie haben sich nicht sofort wieder aufgelöst, sondern sich auf Österreich ausgeweitet. Da steckt Frust dahinter. Eine tief empfundene Hilflosigkeit. Das Gefühl, von der Politik im Stich gelassen zu sein. Die Forderungen der mittlerweile zu einer Art Organisation gereiften Aktivisten sind vage genug, um nicht am Abstimmungsritual zu scheitern. Andererseits so konkret, dass man sich ihnen inhaltlich stellen kann.
Oktoberrevolution im Hörsaal, Raimund Lang, www.furche.at, 5.11.2009
Jeannine Hierländer und Nicole Stern (Die Presse) haben offenbar das Gespräch mit StudentInnen gesucht und nehmen konkrete Missstände an den UNIs zur Grundlage ihres Berichts:
Zuhören auf den Stufen. … Anna erzählt: „Die Professoren kennen einen nicht.“ Auch in den Übungen, die eigentlich dazu da wären, den Vorlesungsstoff zu vertiefen, sei das kaum besser. Einmal habe ein Kollege den Vortragenden gebeten, lauter zu sprechen. Seine Reaktion: „Setzen Sie sich vorne auf die Stufen, dann verstehen Sie mich.“ „Das sind so Sachen, über die man sich ärgert.“
Studentenleben: „Man muss um jeden Platz kämpfen“, 07.11.2009 | von Jeannine Hierländer und Nicole Stern (Die Presse.com)
Lesenswert ist auch Günter Traxler (derStandard). Sehr pointiert erinnert er die Politiker daran, dass sie selbst diese Missstände erzeugt haben und zeigt auf, wie unpassend die Reaktionen der zuständigen Politiker sind.
Die ÖVP ist beleidigt, dass die Studierenden die Folgen jener Reformen, denen die Zuspitzung der Verhältnisse ins Unerträgliche zu verdanken ist, nicht in der gebotenen Demut hinnehmen, sondern die Probleme artikulieren – und damit auch noch breite Zustimmung ernten. Und das, ohne den Amtsweg über die Hochschülerschaft zu beschreiten, mit deren Funktionären sich Regierungsmitglieder ein Gespräch gerade noch vorstellen können, sondern in frecher Selbstorganisation.
Lästige Jugend, Günter Traxler/DER STANDARD-Prinstausgabe, 6. November 2009
Während unter den JournalistInnen die Sympathie mit den Studierenden wächst, zeigte der nächste Regierungsvertreter nach Hahn und Faymann, dass er für sein Amt nicht geeignet und hochgradig überfordert ist. Anstelle von Problemlösungskompetenz tritt die Beschimpfung der Betroffenen.
ÖVP-Chef Josef Pröll geht indes zum Angriff auf die Studenten über, die den größten Hörsaal der Universität Wien seit über zwei Wochen besetzt halten, um für bessere Studienbedingungen zu protestieren. „Ich werde nicht zulassen, dass lautstarke Gruppen versuchen, die Politik, das Land und die Steuerzahler in Geiselhaft zu nehmen“, sagte der Finanzminister der Tageszeitung „Österreich“.
Audimax-Besetzer kündigen Volksbegehren an, 07.11.2009 | 19:31 | (DiePresse.com)