Zentralmatura: 30 Jahre zurück!

Über das Regierungsvorhaben Zentralmatura hab ich bereits mehrere Artikel verfasst. Nicht dass ich gegen die Idee einer zentralen Qualitätskontrolle etwas hätte, es fehlt mir aber die professionelle Herangehensweise. In Freiraum und Individualität habe ich auf das Problem der veränderten Fragestellungen hingewiesen, die sich durch den Einsatz von Computer-Algebrasystemen ergeben. Der Einsatz dieser Systeme ist im Lehrplan verbindlich vorgeschrieben.

An unserer Schule verwenden wir drei verschiedene Computer-Algebra-Systeme (CAS). Die Fragestellungen zu den einzelnen Themen sind von der Wahl des Systems abhängig, da jedes CAS andere Stärken und Schwächen hat. Ich bin schon neugierig, was da zentral vorgegeben wird. Möglicherweise heißt das zurück an den Start: zu einem Mathematik-Unterricht wie vor 30 Jahren, der hauptsächlich als sinnloses Auslesefach erlebt wird. (aus: Freiraum und Individualität)

Jetzt ist es soweit: Ein halbes Jahr hat es gedauert, bis die Bundes- und Landesbehörden den Schwachpunkt erkannt haben. Die Vorgabe an uns Lehrkräfte heißt jetzt (inoffiziell): Bitte nicht mehr so viel Computer in Mathematik einsetzen, zumindest nicht bei der Matura. Die Begründung ist die Zentralmatura!

Das lassen wir uns jetzt auf der Zunge zergehen: Weil der Einsatz moderner Mittel im Mathematik-Unterricht (noch) nicht vereinheitlicht ist, die Zentralmatura aber eine einheitliche Fragestellung vorsieht, sollen wir den Computereinsatz wieder beenden (was sonst?). Das heißt aber wieder zurück an den Start – zu einem Mathematik-Unterricht wie vor 30 Jahren!

Neugierig bin ich jetzt, wie lange die Behörden brauchen, die nächste Hürde zu erkennen: Der Einsatz von Algebra-fähigen Taschenrechner. Auch hier sind die Systeme und damit die sich ergebenden Einsatzgebiete und Fragestellungen zu unterschiedlich für die angepeilte Standardisierung. Ich erwarte (befürchte) folgende Regelung: Bei der Matura darf nur ein einfacher Taschenrechner ohne Algebra- und Grafikfähigkeit verwendet werden. Wie in manchen Fächern an den Universitäten.

Um es kurz festzuhalten: Die im Unterricht eingesetzten Technik bestimmt die Fragestellungen. Wer Mathematik ohne technische Hilfsmittel prüfen will, muss Unterricht ohne technische Hilfsmittel machen. Unterricht mit und ohne Technik-Einsatz nebeneinander auf sinnvollem Niveau geht schon aus zeitlichen Gründen nicht.

Eine einfache Vermutung, warum die Entwicklung zurück geht: Die handelnden Personen (Ministerium, Landesschulrat, Direktoren) sind alle bereits in einem fortgeschrittenen Alter und haben daher einen Mathematik-Unterricht ohne Taschenrechner und Computer erlebt (so wie ich). Nur diesen Unterricht kennen sie und von aktuellem Mathematik-Unterricht haben sie überhaupt keine Ahnung. Aber leider können sie von oben herab entscheiden. Die Mathematik-Lehrer/innen, die technisch auf der Höhe der Zeit sind, werden möglicherweise nicht in die Problemlösung/Entscheidung einbezogen.

Meine bisherigen Artikel zum Thema Zentralmatura

Nachsatz 2016 und 2021: Die kompetenzorientierte Zentralmatura in Mathematik ist zumindest an der BHS gelungen. Die Beispiele sind durchaus inhaltlich interessant und dürfen mit allen im Unterricht verwendeten Technologien gelöst werden. Die Ergebnisse meiner Maturaklassen können sich sehen lassen.

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2 Antworten

  1. hirut sagt:

    es ist vorgesehen, dass bei der zentralmatura aus mathematik alle hilfsmittel also auch PC und programmierbare rechner verwendet werden dürfen, da die sRP eine kompetenzenprüfung sein soll. (unterlagen: alpen-adria-universität klagenfurt)

  2. johann moser sagt:

    Genau das mit der Kompetenzenprüfung bei der schriftlichen Reifeprüfung ist noch nicht klar genug bis zu mir als Lehrer durchgedrungen. Aus meiner Erfahrung frage ich mich nämlich, WELCHE Kompetenzen geprüft werden (sollen). Der Einsatz von Computer Algebra Systemen (CAS) verändert nämlich die eingesetzten und erworbenen Kompetenzen und die Frage ist, wie dem in einer zentralen Fragestellung Rechnung getragen wird.

    Und daher warte ich jetzt auf eine spezielle Erleuchtung meinerseits oder auf eine Erkenntnis der zuständigen Behörden.

    Ich werde aber in nächster Zeit anhand meiner Aufgabenstellungen für Schularbeiten und Matura den Unterschied in den Fragestellungen mit/ohne CAS demonstrieren. Kurz: Gleichungssysteme oder Kurvendiskussionen oder Integrale rechnen wir nicht mehr selber, das macht jetzt unsere Software. Dafür experimentieren und analysieren wir ein bisschen mehr, auch bei den Prüfungen. Das setzt aber voraus (auch als Aufgabenstellung), dass eine Software unsere Rechnungen löst.

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