Befreiungsfeier in Mauthausen
Seit Jahrzehnten nehme ich (mit Familie) an der jährlichen Befreiungsfeier in Mauthausen teil.
Das erste Mal habe ich die Gedenkstätte in Mauthausen im Frühjahr 1986 mit SchülerInnen des BG Hallein besucht. Das war zur Zeit der ersten größeren Aufarbeitung der Nazi-Vergangenheit in Zusammenhang mit der Waldheim-Affäre. Erfahren habe ich vom ehemaligen Konzentrationslager erst zwei, drei Jahre davor: in Berlin (!), beim Besuch eines Seminars des Berliner Bildungszentrums über Widerstand im Nationalsozialismus. In meiner Jugend war das kein Thema, auch nicht in der Schule. Eigentlich ein Wahnsinn.
Damals habe ich auch die Mauthausen-Kantate von Mikis Theodorakis kennen gelernt. Heute wurde sie bei der Feier gesungen.
Die fast jährliche Teilnahme an der Befreiungsfeier hat für mich eine vielschichtige persönliche Bedeutung erhalten: Die emotionale Spannung des Gedenkens an das unglaubliche Leiden und zugleich das Feiern der Befreiung der Überlebenden, und dass der Faschismus nicht gesiegt hat; mich berührt die Teilnahme überlebender Häftlinge, die ihrer ermordeten LeidensgenossInnen gedenken und ihre eigene Befreiung feiern. Jedes Jahr wird beim Einzug der Delegationen erwähnt, wie viele Häftlinge aus den einzelnen Ländern ermordet wurden und jedes Jahr ist es gleich unerträglich. Die Internationalität der Opfer des faschistischen Terrors hat die Internationalität der Feiernden zur Folge.
Meine Beschäftigung mit Nationalsozialismus, Widerstand und Konzentrationslager hat mich zu einer größeren Empathie geführt: Bei unserer Kanada-Reise 1992 waren wir bei einer Frau zu Gast. Am Abend hat sie uns gefragt, ob wir mit ihr über den Nationalsozialismus und die wieder steigende Fremdenfeindlichkeit in Österreich sprechen können. Sie erzählte, dass ihre Mutter als Jüdin noch rechtzeitig vor den Nazis fliehen konnte. Das Trauma der Flucht und Vertreibung war in der Familie noch präsent. Wir waren die ersten Gesprächspartner aus einem Täter-Land.
Inzwischen habe ich einen Schwager in Israel, der als Jugendlicher Ausschwitz überlebt hat. Meinen beiden Kindern habe ich die Teilnahme an den Befreiungsfeiern zugemutet. Mein Sohn Nikolai arbeitet zur Zeit als Gedenkdiener in Marzabotto, Italien. Mein Sohn Sebastian hat seinen Zivildienst in der Flüchtlingsbetreuung absolviert. Beide Söhne sind politisch interessiert und engagiert. Jede Generation muss sich Freiheit und Humanität duch politische Wachheit selbst sichern.
Link
- Appell gegen Rechtsextremismus und Intoleranz (WZ, 10.5.2009)