30 Jahre die gleiche Vorbereitung verwenden? Meine Bestandsaufnahme.

LehrerInnen verwenden ihre Unterlagen 30 Jahre, nur junge Lehrkräfte müssen sich auf den Unterricht vorbereiten. Solche Dummheiten kann man in den Postings der Online-Zeitungen zur aktuellen Debatte lesen. Mag schon sein, dass einige so denken und arbeiten, wie in jedem anderen Beruf auch. Ich erzähle einfach von meinen Fächern:

Als Mathematik-Lehrer war ich einer der ersten, die systematisch mit dem Computer und Algebra-Software gearbeitet haben. Bereits nach den ersten paar Dienstjahren habe ich jahrelang in der Lehrerfortbildung als Referent gearbeitet, um auch andere KollegInnen für den PC-Einsatz zu motivieren. Die ersten Programme haben wir 1989 noch selbst geschrieben, das war in GW-Basic, dann sind wir auf Pascal umgestiegen, haben uns mit den Vorläufern von EXCEL (AsEasy, Lotus123) sehr intensiv auseinander gesetzt, dann war Derive (vorher MathCad) dran. DYNASYS zum Simulieren systemdynamischer Modelle hätte ich beinahe vergessen. Derzeit arbeite ich mit Geogebra. Wenn man zu den Pionieren gehört, muss man sich die Programme selbst erarbeiten. Zusätzlich muss man evaluieren, ob die Programme auch für SchülerInnen (gratis oder günstig) zu verwenden sind: Gute Software ist oft viel zu teuer. Selbstverständlich werden auch Schularbeiten und Matura am PC gelöst. Keine Rede vom Verwenden gleicher Vorbereitungen. Die meist selbsternannten BildungsexpertInnen in den Diskussionsforen und im Ministerium glauben allerdings, die Mathematik bleibe eh immer gleich: Denkste! Belohnt werde ich für diese Entwicklungsarbeit klarerweise nicht: Es gibt keine Struktur im Schulsystem, die solches Engagement bewertet und honoriert.

Nächste Woche: Mein Leben als Lehrer für Webdesign & Multimedia.

Mein Schreibtisch im Konferenzzimmer, eine (sub)optimale Arbeitsumgebung!

Mein Schreibtisch im Konferenzzimmer, eine (sub)optimale Arbeitsumgebung!

Die Woche vom 2.3 bis 8.3.2009

Montag: Koordination der IT-Matura: Ausdruck, Vervielfältigung und auf CD-ROM brennen, dann Abgabe bei der Direktion. Bin schon neugierig, ob der Landesschulrat die Angaben kommentiert. Ein Fachkollege wird alle Aufgabenstellungen der Handelsakademien in OÖ. (üblicherweise unbezahlt) begutachten. Für die Mathematik-MaturantInnen stelle ich die Matura-Anforderungen auf unsere Lehr-Lern-Plattform Moodle. Ich verwende diese Plattform nur mehr sehr eingeschränkt: Wann soll ich diese ganze zusätzliche PC-Arbeit eigentlich erledigen, wer honoriert sie? Hier könnte ich im nächsten Schuljahr noch etwas Zeit einsparen, wie von der Ministerin vorgesehen: länger in der Klasse stehen, weniger “vorbereiten”. Am Nachmittag erledige ich die fälligen Detailänderungen für die neue Homepage des Sozialservice Freistadt, die vom (ebenfalls ehrenamtlichen) Designer vorgeschlagen wurden (1 Stunde) und erstelle eine Anleitung für die Verwaltung dieser Seite (2 Stunden). Diese 10-seitige Dokumentation verwende ich auch im Projektmanagement-Unterricht als Beispiel dafür, wie man so etwas macht.

Dienstag: Am Vormittag führe ich ein Gespräch mit meinem Direktor über einen neuen Webspace für unsere Schulhomepage, die ich betreue. Der Server des Education-Highway ist unzumutbar langsam, ein Seitenaufruf eines CMS dauert etwa 4-5 (!) Sekunden. Provisorisch liegt unsere Schulhomepage bereits seit Juni auf meinem eigenen Server, damit die Seite nicht hinkt. Das kann aber nur ein vorübergehender Zustand sein. In einer Freistunde führen eine Kollegin und ich ein intensives Gespräch über Schule, pädagogische Aspekte und Gesundheit (burn-out). Solche Gespräche sind wichtig, um das Einzelkämpfertum der Lehrkräfte zu durchbrechen und um Energie zu tanken. Dann richte ich einer Schülerin auf meinem privaten Webserver eine User- und Datenbankberechtigung ein und installiere für sie Joomla in der aktuellen Version (1/2 Stunde), die ich zuerst downloade und schreibe ihr eine E-Mail. Hoffentlich verwendet sie meine Arbeit auch für ein paar Übungen! Auf meinem Webserver haben alle meine über 100 SchülerInnen einen (gratis) Webspace und etwa die Hälfte (die ohne Notebook) einen Datenbankzugang, beides von mir verwaltet. Am Nachmittag bin ich geschlaucht: mir wird wieder bewußt, wie anstrengend die Unkonzentriertheit einer SchülerInnengruppe ist. Nicht einmal 18jährige können 2×50 Minuten (Doppelstunde) intensiv und konzentriert arbeiten – zugegeben: bei 29 SchülerInnen in einer Klasse ist das nicht ganz so leicht. Diesen Top-Manager möchte ich sehen, der sich diese Arbeit mit MitarbeiterInnen längerfristig antut. Das Schwierige ist, immer gleich eine größere Gruppe von Jugendlichen zu führen, die viel lieber etwas anderes machen würden. Die in anderen Berufen übliche Kommunikation mit nur wenigen Personen gleichzeitig bzw. die ruhige Arbeit am Schreibtisch ist dagegen ein Klacks!

Mittwoch: Gespräche mit meinem Direktor und einem Kollegen wegen der Änderung des schulautonomen Lehrplans: Multimedia & Webdesign haben im Maturajahrgang je eine halbe (!) Wochenstunde Unterricht! Dazu die Planung und Entscheidung zur Teilnahme am Landesprojekt “Dialog” (SchülerInnen lernen SeniorInnen den Umgang mit dem Internet). Ein Kanalrohrbruch in meinem Haus vereitelt meine Arbeit am Nachmittag. Am Abend: Fertigstellen des Handbuchs für das Sozialservice (10 Seiten), Terminvereinbarung für die Besprechung von Design- und Inhaltsänderungen, Ausdruck dieser Dokumentation am privaten Farbdrucker, weil der Farbdrucker der Schule zur Zeit defekt ist. Die provisorische Website des Sozialservice Freistadt, wie man an der URL sieht, auf meinem privaten Server entworfen, wird demnächst übertragen.

Donnerstag: Wegen einer Exkursion beschäftige ich eine weitere Klasse während meines Unterrichts. Am Nachmittag Planung der verbleibenden Stunden Webdesign für die schriftliche Matura: Alle zentralen Inhalte sollen gemeinsam wiederholt werden, ich bereite entsprechende Beispiele vor, damit die SchülerInnen eine Vorstellung der schriftlichen Maturaarbeit erhalten. Ahnungslose KollegInnen meinen vielleicht, dass wir im “kreativen” Fach Webdesign nur mit Farben und Bildern herumspielen. Aber darüber schreibe ich nächste Woche mehr.

Freitag: Stundenentfall und Supplierung. Besprechung mit der Geschäftsführerin des Sozialservices (1 Stunde), am Nachmittag Änderungen durchgeführt (1 Stunde). Das ist zugleich die Vorbereitung für die Besprechung von Dokumentation und Handbüchern im Unterrichtsfach Projektmanagement (Mittwoch). Ich bevorzuge echte praktische Projekte als Beispiel, weil das für SchülerInnen viel interessanter ist, wenn sie auch selber (zumindest ansatzweise) involviert sind. Auch Projektmanagement lese ich also nicht aus dem Buch vor, wie manche Stammtischbrüder meinen. Am Nachmittag komme ich der Bitte einer Maturaklasse nach, eine Artikel über ihre Klasse für die Maturazeitung zu schreiben. Der Entwurf (1 Stunde) ist jetzt fertig, muss aber noch überarbeitet werden. Diese beiden Stunden kann ich im nächsten Jahr einsparen.

Den Samstag widme ich meinen Kunstprojekten. Das ist ein eigener Bereich meiner Tätigkeiten, hat mit der Schule unmittelbar nichts zu tun, wenn auch die SchülerInnen von meinen diesbezüglichen Fähigkeiten profitieren. Blog-Eintrag entworfen und geschrieben (1-2 Stunden).

Am Sonntag arbeite ich nur in Ausnahmefällen für die Schule, diesmal nicht. Abgesehen von einem weiteren Blogeintrag (1 Stunde). Schließlich bin ich auch Theologe und möchte den Ruhetag einhalten. Das ist nicht zuletzt auch gut für eine nachhaltige psychische Gesundheit. Der Lehrerberuf gehört schließlich zu den Berufen mit der höchsten Burn-Out-Rate. Besuch der Moschee (Tag der offenen Tür) – auch als Wertschätzung für meine Schülerinnen mit muslimischem Glauben.

Gespräche in der Moschee

Gespräche in der Moschee

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