Mein Leben als Webdesign-Lehrer. Zur Arbeitszeit
Mit dem Internet beschäftige ich mich seit 1989. Damals gab es noch kein www, Email und Texte wurden mit Hilfe von Mailboxen ausgetauscht. Nächster Einwahlknoten für mich war München, und das bei den damaligen hohen Telefongebühren: Internet war erst ab 22 Uhr leistbar. Zwei international besetzte Schulungen habe ich damals besucht (in der Freizeit, selbst bezahlt): einmal in München und das zweite Mal in Nürnberg.
Seit Mitte der 90er Jahre das Internet in der heutigen Form aktuell wurde, publiziere ich im Internet: meine Fotografie und meine Unterlagen zum Mathematik-Unterricht. Als an unserer Schule der Schulversuch Informationstechnologie begonnen wurde, war ich klarerweise als Lehrer für Webdesign und Multimedia vorgesehen. Die Ausbildung erstreckte sich für Webdesign und getrennt für Multimedia über jeweils vier Wochen in vier aufeinander folgenden Semestern. Ich durfte in den Bereichen Fotografie, Bildbearbeitung, Farbenlehre und Audiobearbeitung als Referent der Österreichweiten Ausbildungen für Webdesign und für Multimediadesign tätig sein und konnte auch künstlerische und gestalterische Aspekte einbringen. Die Datenbankprogrammierung habe ich als Teilnehmer gelernt.
Seit damals (1999) haben sich die Webdesign-Konzepte laufend verändert: Wurde zu Beginn noch statisch formatiert, entwickelte sich um 2000 der Einsatz von CSS (Stylesheets, Trennung von Inhalt und Gestaltung), vorerst mit Hilfe von Tabellen. Als Datenbank verwendeten wir MS Access, die Programmiersprache war ASP. Inzwischen arbeite ich mit PHP und der Datenbank MySQL, verwalte einen eigenen Web-Server (mit meinem Bruder) und verwende den aktuellen Stand an CSS, XHTML und barrierefreiem Webdesign. Auf meinem privaten Webserver stelle ich meinen über 100 Webdesign-SchülerInnen Webspace und Datenbankanbindung (gratis) zur Verfügung, weil ich auf keine Schulstruktur zurückgreifen kann. In Webdesign ist kein Stein auf dem andern geblieben und ich überarbeite alle zwei bis drei Jahre die Unterrichtskonzepte zur Gänze. Zusätzliche Themen sind CMS (Typo3, Joomla und neuerdings WordPress), dazu die ganzen Google-Services und aktuelle Entwicklungen wie Videoeinsatz und Videojournalismus, Blogs und Journalismus, Podcasting, eMarketing, etc.
Die Arbeit macht Spaß, erfordert aber ein besonders hohes Engagement und große sowie andauernde Innovationsbereitschaft. Die Kunst dabei ist, nicht nur die aktuellen Konzepte zu kennen, sondern in der Programmierung so viel Erfahrung und Qualität zu erreichen, dass man Fehler bei SchülerInnen sofort auffinden kann. Ansonsten hat Programmierung im Unterricht keinen Sinn. Zu beachten sind auch die sehr unterschiedlichen SchülerInnen-Niveaus: Es gibt Freaks und solche, für die Programmierung dann doch nicht das richtige ist. Beide Gruppen sollen auf ihre Rechnung kommen und weder über- noch unterfordert werden.
Aus einem Buch kann ich übrigens nicht vorlesen: Die Lehrbücher können gar nicht aktuell sein, weil die Entwicklung des Internets schneller geht als die Entwicklung von Schulbüchern. Ich verwende kein Lehrbuch. Auch die Lehrerfortbildung hinkt (zumindest für meine Ansprüche) hinter der Entwicklung her. So bleibt nichts anderes übrig als Eigeninitiative. Natürlich aufkosten der Freizeit, was sonst? Zum Glück habe ich meinen Sohn Sebastian, der sich zum Internet-Spezialisten entwickelt hat, er versorgt mich immer wieder mit neuesten Kenntnissen, beispielsweise Internetmarketing, professionelle Suchmaschinenoptimierung, Programmierung von Plugins für WordPress. Übrigens: Dass JunglehrerInnen per se engagierter sind, halte ich für einen Mythos: Ich bin jetzt 50, seit mehr als 22 Jahren Lehrer und freue mich, wenn JunglehrerInnen auch so aktiv sind wie ich.
Die Stundenanzahl für die Fortbildung, die vielen Übungen und Experimente, die Fehlschläge, die Überarbeitung von Konzepten ist gar nicht mehr nachvollziehbar. Ich denke es würde genügen, meine Vorbereitungszeit bis zu meiner Pensionierung in voraussichtlich 15 Jahren abzudecken. Beinahe vergessen hätte ich die 200 Euro (brutto!), die ich für das Veröffentlichen von Unterlagen vor ein paar Jahren vom Ministerium erhalten habe. Wenigstens irgendeine Anerkennung. Herzlichen Dank!
Trotzdem gibt es für mich wöchentlich neben der Vor- und Nachbereitung auch andere Lehrerarbeit zu erledigen.
Die Woche vom 9.3. bis 15.3.2009
Am Montag erledige ich die Überarbeitungswünsche für das Sozialservice Freistadt (2 Stunden). Eine Auftraggeberin eines früheren Maturaprojektes kontaktiert mich, sie hat Probleme mit der Administration. Ich sehe mir ihre Probleme und die Administrationsseite an: Die Schülerinnen haben das gut programmiert, die Auftraggeberin möchte vielleicht die Verwaltung doch nicht selber machen. Ich schreibe ihr eine kleine Anleitung für ihre Probleme mit Screenshots und bin insgesamt wieder eine Stunde beschäftigt. Dann bereite ich mir ein Modulscript für das CMS Joomla vor. Wir werden am Dienstag ein User-Modul programmieren, das Userdaten anzeigt.
Dienstag: In meinen drei “Freistunden” erledige ich genau folgende Arbeiten: Gespräch mit dem Direktor und Konzeption eines Homepageberichtes und einer Medienaussendung zum Thema “HTL in Freistadt”. Die hiesige SPÖ hat öffentlich Tatsachen verdreht und damit zu einer Verunsicherung der Eltern und SchulabgängerInnen der Hauptschulen geführt: Tatsächlich wird in Freistadt nur eine HTL angeboten, der Bionik-Zweig ist keine HTL, sondern ein humanberuflicher Zweig der HLW (1 Stunde). Ich schreibe den Artikel für die Maturazeitung über die Maturaklasse fertig und bespreche ihn mit einer Kollegin (Danke!, 1 Stunde). Für den Webdesign-Unterricht installiere und teste ich einen professionellen Editor: Eclipse. Ich beginne mit einer Arbeitsanleitung für Eclipse für meine Webdesign-SchülerInnen (1 Stunde); muss fortgesetzt werden.
Mittwoch: Da ich JavaScript (Webdesign) heuer ausführlicher und mit neuen Aspekten unterrichte, benötigt es wieder etwas mehr Vorbereitung: 2 Stunden vergehen schnell mit verschiedenen Tests, Recherche von Fehlern und neuen Entwicklungen. Vorbereitung für meinen Lehrauftrag an der Kunst-UNI Linz: Die neue Software-Version (Max5) wurde stark überarbeitet, etwas mehr Einarbeitungszeit ist nötig (2 Stunden). Ich installiere und kaufe mir das Update auch privat (200 EUR), um mit der Kunst-UNI kompatibel zu sein. Nachmittags schreibe ich eine Beratungs-Mail an einen meiner fleißigen Studenten, ich stehe ihm auch persönlich für Hilfestellungen zu Verfügung – nächste Woche eine Stunde vor Vorlesungsbeginn.
Donnerstag und Freitag: krank mit Bauchgrippe. In den letzten paar Tagen sind 4-5 halbkranke KollegInnen im Konferenzzimmer (und im Unterricht) herumgestanden: H. fröstelnd, M. die ganze Zeit im Mantel, H. mit glasigen Augen. Wahrscheinlich sollten wir LehrerInnen doch nicht so blöd sein und halbkrank unsere Arbeit verrichten “weil die SchülerInnen für diesen Test gelernt haben“.
Samstag und Sonntag: Blog-Eintrag entworfen und geschrieben (1 Stunde). Am Wochenende arbeite ich nicht für die Schule. Warum denn auch? Andere haben auch frei.