Politisches Engagement als persönlicher Mehrwert
Politisches Engagement ist bereichernd. Nicht im finanzieller Hinsicht. Aber in persönlicher.
Seit 1991 bin ich Mitglied des Gemeinderates der Stadt, in der ich lebe, drei Jahre vorher hat das Engagement begonnen für die Gruppe, für die ich kandidierte. Also zwei Jahrzehnte aktives Mitgestalten in der Politik mit wechselnder Intensität. Meine Bereiche waren Kulturpolitik, Verkehrspolitik, Energiepolitik, Öffentlichkeitsarbeit (Zeitung), Planung von Aktivitäten (Aktionismus).
Was das für mich persönlich gebracht hat?
Die Mitarbeit an unseren Themen mit Gleichgesinnten hat mir meine Wahlheimatstadt zur Heimat gemacht, erste intensivere Freundschaften wurden gefestigt. Das ist ein persönlicher Gewinn.
Die Auseinandersetzung mit Kulturarbeit hat mich mit einzelnen Kulturinitiativen eng verbunden, die Beschäftigung mit der Denkmalpflege hat mir eine große historische Kenntnis über meine neue Heimatstadt gebracht und den Horizont erweitert in der Frage, wie man in eine historischen Altstadt zeitgemäße Elemente integriert. Wenn ich heute Freunde durch die Stadt führe, erhalte ich positive Verwunderung über mein Wissen, über meine Leidenschaft für die Stadt. Das ist ein persönlicher Gewinn.
Das Planen von konkreten Projekten und das Entwickeln von Durchsetzungsstrategien hat meine Fähigkeiten in Projektmanagement geschärft. Politische Gegner haben dazu beigetragen, dass ich meine Projekte genauer durchdenken mußte. Das ist OK. Ich hatte Gelegenheit, mehrere große Projekte zu entwickeln und zu verwirklichen (Citybus, Windpark) und konnte mich in konkreten und sinnvollen Bereichen als schöpferisch und durchsetzungsfähig erleben. Das ist ein persönlicher Gewinn.
In unserer politischen Gruppe haben wir kreative Ideen entwickelt, um auf unsere Anliegen aufmerksam zu machen. Nicht in allen Bereichen ist uns die Durchsetzung gelungen, in manchen Bereichen wurden unsere Ideen nach einem Jahrzehnt aufgegriffen. Wir haben Zebrastreifen genäht und aufgelegt und überquert, heute werden genau diese Zebrastreifen von den Gemeindearbeitern aufgesprüht. Wir haben die Lärmbelastung mit Hilfe einer selbst entwickelten Audio-Performance simuliert und damit eines Tages unsere Bewohner/innen (und die Polizei, damals noch Gendarmerie) überrascht. Wir haben gemeinsam Bäume und Hecken gepflanzt. Das alles ist ein persönlicher Gewinn.
Wir haben sehr intensive Öffentlichkeitsarbeit gemacht. Vor 20 Jahren noch neu am Computer, habe ich Desktop-Publishing und Typografie gelernt, das gestalterische Niveau der Gemeindeberichterstattung nachhaltig positiv beeinflusst. Wir haben unsere Artikel gemeinsam kritisch überarbeitet und so inhaltliche Qualität für die Leser/innen geschaffen. Das Entwickeln der gestalterischen und publizierenden Fähigkeiten ist ein persönlicher Gewinn.
Wir haben in unsere Familie über unsere Aktivitäten gesprochen und die beiden Kinder einbezogen. Unsere Kinder haben nicht an meinen politischen Terminen gelitten. Beide Kinder haben ein klares politisches Bewußtsein entwickelt und haben bereits als Kinder in der Wahlkampf-Planung als Strategen(!) mitgearbeitet. Das ist ein persönlicher Gewinn.
Und neben aller Anstrengung hat es auch Spass gemacht, mitzureden und mitzugestalten. Ich habe meine Ecken und Kanten am politischen Gegner und an den eigenen Leuten abgewetzt. Ich bin konfliktfähiger und geduldiger geworden. Heute weiß ich genauer, was möglich und nicht möglich ist. Und ich bin nicht in politische Depression verfallen. Das ist ein persönlicher Gewinn.
Trotzdem werde ich in einem Jahr nach 21 Jahren meine aktive politische Tätigkeit beenden. Weil wieder andere nachrücken sollen. Das ist eine Ermutigung: politisches Engagement lohnt sich!