Kirchenmissbrauch versus Familienmissbrauch
Eine merkwürdige Argumentation hat sich in das Beschwichtigungsgetue mancher Kirchenvertreter eingeschlichen: Ja, es hat Missbrauch gegeben, aber viel mehr Missbrauch geschieht in den Familien.
Abgesehen vom Statistik-Problem, dass es eben viel mehr Familien als Patres bzw. Priester gibt, lohnt sich die Frage nach dem Warum des Missbrauchs, nach Strukturen, die Missbrauch begünstigen.
Für die römisch katholische Kirche kann man sagen, dass neben der pathologischen Haltung der Kirchenführung zur Sexualität die hierarchische und autoritäre patriarchale Struktur (sexuellen) Machtmissbrauch begünstigt bzw. herausfordert.
Autoritäre patriarchale Strukturen gab und gibt es auch in Familien. In den letzten Jahrzehnten wurden gegen den Widerstand christlich-konservativer Parteien Herrschafts-Prinzipien wie Autorität, Ehre, Gehorsam und die Geschlechterrollen zunehmend in Frage gestellt. Ein Verdienst der 1968-Bewegung.
Wenn man bedenkt, dass das Familienbild unserer Gesellschaft sehr stark vom Einfluss der römisch katholischen Kirche geprägt war, ist die eingangs beschriebene Argumentation eigentlich eine Zumutung.