Das Kreuz mit dem Kreuz
Es ist ein Kreuz mit den Rechten in Österreich. Sie fordern Abendland in Christenhand, wollen Kreuze in allen öffentlichen Gebäuden und haben mit christlichen Werten eigentlich gar nichts am Hut. Abgesehen davon, dass das einer wünschenswerten Trennung von Staat und Kirche und der religiösen Neutralität eines demokratischen Staates total widerspricht, sagen sie nicht dazu, welches Kreuz sie meinen. Etwa das Hakenkreuz?
Zum Glück gibt es auch andere Kreuzesdarstellungen.
Die älteste bekannte Darstellung eines Gekreuzigten stammt aus der Zeit zwischen 200 und 250: Ein Mann an einem Kreuz wird von einem anderen Mann angebetet. Die Inschrift sagt: „Alamenos betet seinen Gott an“. Der Mann am Kreuz hat einen Eselskopf. Es ist ein römisches Spottkreuz.
Das aktuellste und für viele Christen ebenfalls problematische Kreuz ist der Frosch am Kreuz von Martin Kippenberger. Es wurde 2008 im Museion in Bozen gezeigt und nach Protesten (offiziell aus anderen Gründen) entfernt, die Kuratorin des Museions musste letztendlich ihren Job verlassen. Martin Kipperberger thematisiert mit dem Frosch am Kreuz mit einem Krug Bier in der Hand sein persönliches Kreuz mit dem Alkohol.
Die französische Fotokünstlerin Bettina Reims sorgte im Frühjahr 2000 für Aufregung in der römisch-katholischen Kirche in Österreich mit ihrer Ausstellung INRI in der Sammlung Essl, Klosterneuburg: Der Corpus am Kreuz ist der Körper einer Frau. Ich durfte zur Ausstellung meine Klanginstallation ENBE beisteuern.
Weniger umstritten ist der Fisch am Kreuz mit dem Titel Mich dürstet nach reinem Wasser von Roland Peter Litzenburger (1974), die Umweltverschmutzung thematisierend. Näher zum Spottbild ist sein Christus der Narr (1978).
Oskar Kokoschka, “Christus hilft den hungernden Kindern” (1945/46) mit der Inschrift In Memory of the Children of Europe who have to die of Cold and Hunger this Xmas, ist ein Beitrag Oskar Kokoschkas zum Gedenken an das vom Faschismus verursachte Leid. Vielleicht sollte dieses Kreuz in öffentlichen Gebäuden hängen, als Erinnerung, wofür die extreme politische Rechte steht.
Die religiöse Empfindlichkeit bei Kreuzesdarstellungen hängt meines Erachtens mit der mangelnden theologischen Reflexion dieser Gläubigen zusammen. Theologisch gesehen hatten auch die frühen Christen ihr Kreuz mit dem Kreuz. Paulus entwickelt seine Theologie des Kreuzes, indem er von der Torheit des Kreuzes spricht. Wie kann man nur so dumm sein und an einen Hingerichteten glauben? Dietrich Bonhoefer, von den Nazis 1945 hingerichteter evangelischer Theologe, argumentiert so: Hier liegt der entscheidende Unterschied zu allen Religionen. Die Religiosität des Menschen weist ihn in seiner Not an die Macht Gottes… Die Bibel weist den Menschen an die Ohnmacht und das Leiden Gottes; nur der leidende Gott kann helfen.
Gewohnt an den Triumphator (Triumphkreuz) und den Verlauf der Kirchengeschichte ist es offenbar kaum vorstellbar, dass das Kreuz als Zeichen der Erlösung schwer verständlich ist. Als Zeichen der Provokation (was sonst?) in öffentlichen Gebäuden eignet es sich – theologisch gesehen – wirklich nicht.
Und noch was: Finger weg von Politikern, die mit religiösen Symbolen polarisieren wollen!