Gemeinsame Schularbeiten: Schein-Objektivität
Seit ein paar Jahren geistert an unserer Schule die Idee der gemeinsamen Schularbeit für Parallelklassen umher. Das soll zu Standardisierung und Objektivität führen, verursacht aber vor allem unnötigen administrativen und organisatorischen Mehraufwand. Nicht immer zugunsten der SchülerInnen. Ich beschreibe zwei strukturell verschiedene Situationen:
Zwei der drei verschiedene Lehrkräfte geben am gleichen Tag die gleichen Aufgaben zur Schularbeit. Objektiv? Klarerweise muss dieser Entscheidung die Koordinierung des Unterrichts davor ergeben: gleich viele Unterrichtsstunden, gleich viele Übungen, gleich gut bzw. intensiv erklärt. Über den Unterrichtsverlauf müssen sch die Lehrkräfte regelmäßig austauschen, um eventuelle Ungleichheiten sofort auszugleichen. Vorausgesetzt werden weiters gleiche Schwerpunkte und Interessen seitens der Lehrkräfte (der Lehrplan ist nach wie vor ein Rahmenlehrplan, LehrerInnen haben daraus auszuwählen und Schwerpunkte zu setzen). Abgesehen davon, dass die eben genannten Rahmenbedingungen kaum oder nur schwer erfüllt werden können, werden bei diesem Modell die SchülerInnen vergessen: Ist die Schülerklassenzahl etwa gleich groß, sind die SchülerInnen etwa gleich gut bzw. interessiert, werden manche Themen aufgrund von SchülerInnen-Interessen ausführlicher unterrichtet? Dieses Standardisierungsmodell geht von einem Unterricht über die Köpfe der SchülerInnen hinweg aus. Das ist ein möglicher Unterrichtsstil, er hat aber mit der von uns Lehrkräften geforderten Individualisierung wenig zu tun.
In der zweiten Situation unterrichte ich selbst zwei oder drei Klassen parallel im gleichen Fach. In diesem Fall könnte ich die Schularbeit zur gleichen Stunde mit gleichen Aufgabenstellungen leichter halten, weil ich (hoffentllich) gleich gut und intensiv erkäre. Da es bei meinem Unterricht eine Rolle spielt, wer in der Klasse sitzt, wie sich die SchülerInnen beteiligen und zumindest ansatzweise die Möglichkeit zur Eigenständigkeit haben, wähle ich auch in dieser Situation nicht einen gemeinsamen Termin. Die Illusion der größeren Objektivität lohnt nicht den Aufwand, fachfremde und womöglich am Computer nicht versierte KollegInnen als Aufsicht zu haben und dann einen Berg Arbeiten korrigieren zu müssen. Ich lege Schularbeiten in Parallelklassen lieber weiter auseinander, damit der Prüfungsstoff etwas unterschiedlich ist. Dann kann ich in kleineren Portionen die Arbeiten korrigieren und auf den tatsächlichen Unterricht entsprechend Bezug nehmen.