Berlin, Tag 4: Reichtagsgebäude, jüdisches Museum

Nach einer Bootsfahrt auf der Spree, die uns noch einmal an wichtige Stellen führt (Grenzübergang Friedrichsstraße genannt „Tränenpalast“, weil man sich nach einem Besuch in der DDRverabschieden musste) besuchen wir das Reichstagsgebäude mit beeindruckender Architektur. Im Reichstag nimmt sich der SPD-Politiker Wolfgang Thierse für ein Gespräch mit uns Zeit. Wolfgang Thierse gehörte zur politischen Opposition der DDR, war 1989 am friedlichen Übergang der DDR beteiligt, war dann Vorsitzender der SPD der DDR und nach der Wiedervereinigung Deutschlands 1998 bis 2005 Präsident und bis 2013 Vizepräsident des deutschen Bundestags.

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Russische Inschriften aus dem Jahre 1945 nach der Befreiung Berlins wurden als Teil der Geschichte des Gebäude erhalten und sichtbar gemacht.

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Blick von unten in die gläserne Kuppel

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Blick in den Plenarsaal

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Blick in die oben offene Kuppel

Gesprächsthemen sind Deutschland und die Flüchtlinge. Deutschland hat mit der Wiedervereinigung 16 Millionen Leute in das Sozial- und Pensionsversicherungssystem eingegliedert, schaffte trotz dieser Belastung eine enorme wirtschaftliche Entwicklung und ist eine erstaunlich stabile Demokratie: es gibt keine starke rechtsextreme Partei wie in anderen Ländern Europas, was mit der Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte zu tun hat. Wolfgang Thierse sieht keine Kluft, wohl aber Unterschiede zwischen dem Osten und dem Westen Deutschlands, die es aber auch zwischen dem Norden und dem Süden gibt. Die Wiedervereinigung konnte keine auf gleicher Augenhöhe sein, weil die DDR wirtschaftlich und politisch gescheitert ist und daher kein gleichberechtigter Partner sein konnte. Die Unsicherheit wegen der Umbrüche und mangelndes Selbstbewusstsein und geringere Selbstverantwortlichkeit sind der Nährboden für Pegida, die so nur im Osten Deutschlands denkbar ist. Die Demokratie ist langsam, in Zeiten der Angst und Bedrängnis möchte man schnelle Lösungen, aber das geht nicht.

Zum Thema Flüchtlinge kommen sehr klare Worte von Thierse. Schuldzuweisung für die aktuelle Situation bringt keine Lösung (es ist nicht an allem die USA schuld), Grenzen dicht machen geht nicht, weil es erstens die Idee von Europa zerstört und andererseits gar nicht funktioniert  – der Druck der Flucht ist zu groß, die Situation in den überfüllten und unterversorgten Flüchtlingslagern in den Nachbarländern ist besonders schlimm, es gibt kaum Schulbesuchsmöglichkeiten für Kinder. Wichtig ist eine solidarische Aufteilung der Flüchtlinge auf alle europäischen Länder, egal ob das die Flüchtlinge wollen. An die Aufnahme von Flüchtlingen sollten die Gelder des ESF gekoppelt sein, ohne Aufnahme keine Mittel mehr, damit auch die anderen europäischen Länder Flüchtlinge aufnehmen. Es ist klar, dass sich Deutschland – und Europa – verändern werde, dass es Konflikte geben werde. Der Ausspruch von Ungarns Viktor Orban „Niemand kann verlangen, dass sich unser Land verändert“ sei jedenfalls absurd. Es braucht eine neue Weltordnung (zu unseren Lasten), über die korrupten arabischen Regime wäre zu reden und über die mangelnde islamische Solidarität der reichen islamischen Länder.

Wolfgang Thierse finde ich beeindruckend. Es ist beruhigend, an der Spitze des Staates Menschen mit seinem Denkhorizont zu sehen. Wünsche ich mir auch für unser kleingeistiges Österreich.

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Der ehemalige Parlamentspräsident Wolfgang Thierse im Gespräch mit unserer Reisegruppe

Abends lese ich dann online aktuelle Zeitungsberichte zum gleichen Thema.

Das Reichstagsgebäude wurde mehrmals renoviert und umgestaltet, zuletzt in den 1990er Jahren. Die Architektur symbolisiert die Transparenz eines demokratischen Parlaments. Kunstwerke setzen sich mit dem Thema Demokratie auseinander. Unbedingt sehenswert!

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In der gläsernen Kuppel

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In der gläsernen Kuppel

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Doku, verspiegelt: Wolfgang Thierse (Mitte) nimmt als Parlamentspräsident den Schlüssel zum Reichtagsgebäude im Empfang.

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Selbstportrait mit Reichstagskuppel

Am späten Nachmittag Besuch des jüdischen Museums. Die Architektur des Museums ist beeindruckend. Ich denke an das Gefühl in den „void„-Räumen im Keller, dem bedrohlich dunklen „Holocaust-Turm“ und dem „Garten des Exils“, dessen schräger Boden das ins Wanken geratene Leben spürbar macht.Im Keller des Museums gibt es einen Lern-Ort, an dem man an PCs über Aspekte des jüdischen Lebens lernen und nachlesen kann. Ich entdecke Details über den Maler Felix Nussbaum (1904-1944), dessen Bilder wir in einer Ausstellung in Paris gesehen haben. Ein tragisches Schicksal: Bereits im Exil in Italien flieht er über Frankreich nach Belgien und wird letztlich von den Nazis gefangen und ermordet.

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Ausstellungsplakat Felix Nussbaum, Paris 2011

Im Museum gibt es einen Abriss der jüdischen Geschichte in Deutschland bzw. Europa. Interessant und neu für mich waren jene jüdischen Strömungen im 18. und 19. Jahrhundert, die sich gezielt bemühten, die jüdische Tradition zu überwinden und im europäischen Leben anzudocken (u.a. Karl Marx). Diese Integration hat allerdings nicht vor Verfolgungen geschützt.

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In vielen Orten: Juden unerwünscht

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Erfahrungsraum „Garten des Exils“

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Erfahrungsraum „Leerstelle des Gedenkens“

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Schautafel Edith Scheinemann-Rosenzweig: Tradition und Anpassung

Tag 5: Mit der Bahn gehts am nächsten Tag mittags wieder nach Hause.

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