Paris-Tagebuch: Kunst, Kunst & Kunst

Eine mehrtägige Parisreise war in erster Linie dem Besuch von Kunst-Museen und Galerien gewidmet. Fasziniert hat mich die künstlerische Dichte in der Pariser Innenstadt. Der Besuch dieser Ausstellungen hat mich zu neuen Bildern und zu einer Reflexion des eigenen Kunstschaffens inspiriert.

Centre George Pompidou

Der – abgesehen von der markanten Architektur des Centre George Pompidou –  erste Eindruck war eine Ausstellung über den Künstler Arman mit Installationen und Videokunst aus den 60er Jahren. Für mich interessant aus zwei Gründen: In meinem Geburtsjahr 1959 gab Arman die Malerei zugunster experimenteller Kunstformen auf. Und andererseits soll man sich als Medienkünstler sowieso ausführlich mit der Geschichte der Medienkunst befassen.

  Eindrücke im Centre George Pompidou

Eine große Ausstellung ist Piet Mondrian und der holländischen De Stijl-Bewegung gewidmet. Mondrians Weg der Abstraktion führte ihn zur reinen geometrischen Abstraktion – jegliche bildnerische Tiefe und Perspektive sollte vermieden werden. Ausgehend von Beobachtungen der Landschaft und Architektur hat er versucht, Strukturen radikal zu abstrahieren und auf den geometrischen Gehalt von Wahrnehmungen zu reduzieren: Die Linien (un)regelmäßiger Baumreihen am Fluß, rechteckige Muser, gebildet von Kanälen und Architketur.

  Piet Mondrian

Das Konzept der geometrischen Abstraktion wurde von verschiedenen Künstler/innen auch später aufgegriffen und anders weitergeführt. Ich frage mich, ob ich nicht mit meinen Realtime-Processing-Student/innen diese Konzepte aufgreifen sollte und 90 Jahre später mit aktueller Software hier anknüpfe: um Landschaftsbilder radikal zu abstrahieren bzw. die Parameter geometrischer Konstruktionen zu variieren.

  Flugfelder, inspiriert von Piet Mondrian und Paul Klee

Musée d’Orsay

Eine andere Art mit Ebenen zu spielen – in Form von Verdichtung – kann man in vielen meiner Fotos sehen. Ich bilde gerne ganze Schichten von Ebenen – gespiegelt, transparent, überlagert – ab beispielsweise bei diesen „verbotenen“ Bildern im Museé d´Orsay. Die Möglichkeit, Objektiv-bedingte Verzerrungen mit Hilfe von Software auszugleichen, unterstützt die Wirkung der zur Bildebene parallelen Schichten.

  Schichten von Ebenen

Louvre

Eine eigene Aura verbreiten die Bilder bzw. Skulpturen aus dem mitteleuropäischen Mittelalter. Scheinbar distanziert und emotionslos. Anstatt mit mühsamen Verrenkungen die musealen Lichtreflexionen zu vermeiden, habe ich sie gezielt in meine Bilder integriert.

  Aus dem europäischen Mittelalter

Im Saal der antiken Skulpturen konnte ich Beobachtungen zu einem erweiterten Skulpturbegriff anstellen. Die Besucher/innen als bewegliche Skulpturen ergänzen die antiken Skulpturen und bilden mit ihnen eine Echtzeit-Installation polarer Figuren: statisch und dynamisch, nackt und bekleidet, still haltend und ständig in Bewegung, berühmte Artefakte und beliebige Passant/innen.

  Skulpturen

Etwas absurd habe ich den Besuch der Mona Lisa in Erinnerung. Eine dicht gedrängte Menschenmenge versucht, allmählich nach vorne bis zur Absperrung zu dringen. Das Bild befindet sich ein paar Meter vor der Absperrung hinter doppelter Verglasung. Die Besucher/innen fotografieren das Bildnis der Mona Lisa mit ihren Mobiltelefonen, sich gegenseitig mit Mona Lisa, manche haben mehrere Minikameras in der Hand. Das Beweisfoto. Fotografieren mit Blitzlicht ist erlaubt, vielleicht handelt es sich auch gar nicht um das Original.

  Besuch bei Mona Lisa

Jeu de Paume

Die Ausstellung von Werken des berühmten ungarischen Fotografen Andre Kertez war auch aus formalen Gründen beachtenswert. Ein Teil der Ausstellung zeigt Kontaktabzüge. Ein Kontaktabzug ist ein Bild in der Größe des Negativs. Das Negativ wird direkt aufs Fotopapier gelegt und ohne Vergrößerung belichtet. Die Kontaktabzüge in den Formaten 4.5×6 cm oder etwas größer mussten mit hoher Konzentration aus kurzer Distanz betrachtet werden. Die musealen Gewohnheiten der Besucher/innen, Bilder unterschiedlich schnell bzw. lang anzusehen, behinderten sich gegenseitig. Eine interessante Seh-Erfahrung.

Zur Zeit meiner fotografischen Ausbildung in den 1980er Jahren wurden Kontaktabzüge bei Fotoprojekten gerne eingesetzt und so bestanden einige meiner damaligen Mappen vorwiegend aus Kontaktabzügen. Der Zwang zum konzentrierten Betrachten war dabei durchaus beabsichtigt. Allerdings sieht man eine Mappe alleine im selbstgewählten Tempo an.

Orangerie

In der Orangerie des Musée d’Orsay konnte ich eine Ausstellung von Werken des Fotokünstlers Heinrich Kühn sehen, die zuvor bereits in der Albertina Wien gezeigt wurde. Heinrich Kühn war eine der zentralen Gründergestalten der internationalen Kunstfotografie um 1900. Sein Werk zeichnet sich durch einen besonderen Umgang mit Tonwerten, Bildschärfe und Fotopapier aus. Mit seinem Gummidruck, der Verweigerung von Schärfe und seinen Motiven setzte er sich von der konventionellen Fotografie ab und schuf ein zeitloses grafisches Werk.

  Ausstellungsraum für Heinrich Kühn

Musée National d´Art Moderne Contemporary Collections

Eine kleine Serie über das Kunstbetrachten von Besucher/innen konnte ich auch im Museum für Moderne Kunst durchführen. Nachdem in diesem Museum fotografieren erlaubt ist, kann ich die Bilder dem Museum widmen.

  Das Kunstwerk und sein/e Betrachter/in

Das Fotografierverbot in den meisten Museen ist ein eigenes Thema. Wäre ich Museumswärter, so würde ich – obwohl logischerweise verboten – heimlich an einer Fotoserie arbeiten, die heimlich fotografierende Besucher/innen zum Thema hat. Fotografieren verboten auf einer Metaebene.

Museum für jüdische Kultur und Kunst

Eine sehr berührende Ausstellung war die des deutsch-jüdischen Malers Felix Nussbaum. Obwohl er bereits bei der Machtergreifung der Nationalsozialisten Deutschland verlassen hatte, schaffte er es nicht, Europa zu verlassen und wurde gegen Ende der Nazi-Barbarei in Belgien aufgespürt, nach Ausschitz deportiert und dort ermordet. Er hat in verzweifelter Vorahnung seine Bilder fotografiert und dokumentiert, sie bei Freunden versteckt, damit wenigstens seine Bilder überleben. Berühmt ist sein Selbstportait mit Judenstern.


Ausstellungsplakat in der Pariser Métro

Einzelausstellungen, Längs- und Querschnitte

Die Dichte unserer Museumsbesuche hat mir bewusst gemacht, dass es sich lohnt, auch bereits Bekanntes immer wieder zu sehen. Von den verschiedenen Museen in verschiedene Zusammenhänge gebracht, eröffnen sich jeweils neue Blickwinkel, Interpretationen und Assoziationen. Durch die intensiven Museumsbesuche in nur wenigen Tagen hat sich diese Vernetzung verstärkt. Die zufällig gleichzeitige Lektüre eines Buches über Zusammenhänge zwischen Picasso, Einstein und den Impressionisten bei der Entwicklung neuer Vorstellungen über Raum und Zeit war ein zusätzlicher theoretischer Impuls.

Meine Museumsbesuche sind von Interesse an Kunst, Assoziation und Reflexion meiner eigenen Bilder und der Beobachtung und Einbeziehung von Besucher/innen geprägt. Der Humor kommt auf diese Weise beim Museumsbesuch nicht zu kurz. Das ist sicher im Interesse zumindest der Modernen Kunst.

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