Baltische Reise: Politisches

Eine zweiwöchige Baltikum-Reise, davon 10 Tage Radtour, führte uns von Tallinn über Riga nach Vilnius. Einige Aspekte der Reise möchte ich mit den LeserInnen meines Blogs teilen.

Die Last der Geschichte

Zwei B&B-Übernachtungen in Tallinn mit persönlichem Kontakt zur Gastgeberin (Jg. 1939) führten in media res baltica: Die Vater der Gastgeberin wurde bei der sowjetischen Machtübernahme 1940 nach Sibirien deportiert und getötet, weil er hoher Regierungsbeamter des unabhängigen Estland war. Die Gastgeberin – Wirtschaftswissenschafterin und ehemalige Radiomoderatorin – sprach mit uns über ihr Leben, die politische Geschichte und das Problem der Russifizierung zur Sowjetzeit. B&B hat uns diese persönliche Begegnung ermöglicht, die im Hoteltourismus so nicht möglich ist. (Infos auf Wikipedia)

Fotogalerie: Tradition und Gegenwart

Russen und Balten

In Estland und Lettland wurden zur Sowjetzeit russische Industriearbeiter und Militärs angesiedelt: in Lettland leben über 50% Russen. Damit wurde Fakten geschaffen: Die zweite bzw. dritte Generation an Russen lebt gleichsam in einer eigenen Welt, spricht selten die jeweilige Landessprache, schickt ihre Kinder in eigene Schulen, ist aber nicht mehr Teil des Herrschaftsapparats. Auf Dauer hat das enorme soziale Sprengkraft, gerade angesichts der Nachbarschaft zu Russland. Früher war die russische Sprache die gemeinsame Sprache zwischen den Bevölkerungsgruppen, die Jugend heute spricht Englisch.

Natürlich vereinfacht: Das Misstrauen gegenüber den Russen seitens der Balten ist gross, wer für die Ab- bzw. Ausgrenzung verantwortlich ist, ist von außen schwer zu sagen. Ein Gespräch mit einer jungen Russin bringt Aufschlüsse über eine russische Sicht: erstaunliche Ahnungslosigkeit über den Konflikt und die eigene Situation; die Landessprache sei zu schwer zu lernen.

Für das langfristige zufriedenstellende Zusammenleben der beiden Bevölkerungsgruppen ist entsprechende Begegnungs- und Friedensarbeit nötig: Öffnung bei Kulturinitiativen, sprachübergreifende gemeinsame Schulen, Spielprojekte für Kinder, offensive politische Disukussion über die politische Geschichte und über Teilhabe am öffentlichen Leben. Was es davon bereits gibt, ist für uns nicht erkennbar, dass es zuwenig davon gibt, allerdings schon.

Fotogalerie: Begegnung im Kaufhaus

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